Es geschieht nicht oft, dass man ein Album in den Händen hält, das nicht nur die Tiefen und Facetten eines Genres vermisst, auslotet oder erforscht, sondern dessen Grenzen tatsächlich zu verschieben scheint. „Knots“von Sons Of Noel And Adrian ist ein solches Album.

Es will nicht viel. Keine Leistung abrufen, kein Können ausstellen, keine Variationen erzeugen oder gar breit gefächert unterhalten. Vielmehr ist es monolithisch, dicht und schwer. Es steht für sich allein. Wäre „Knots“ ein Gemälde, sein Spektrum reichte von Sepiafarben bis tief ins Schwarzhinein. Die einzelnen Stücke darauf würden vorsichtig Schattierungen zu einem großen Ganzen hinzufügen.

Dieser Eindruck des Albums steht in krassem Gegensatz zur Besetzung der Band, deren Einzelmusiker das Genre Folk und seine Spielarten in den letzten Jahren zu weiten Teilen mitgestaltet haben. Das Willkommen Collective aus Brighton, in dessen Zentrum wiederum die Sons Of Noel And Adrian stehen, wurde einmal als folkiges Pendant dessen beschrieben, was Broken Social Scene für die Indie-Musikszene darstellt. Die Musiker der Band spielen auch in Gruppen wie The Miserable Rich, The Leisure Society, Laich und Redwood Red. Sie veröffentlichen Soloalben, die sie gegenseitig instrumentieren. Gitarrist Marcus Hamblett ist festes Mitglied in Laura Marling’s Band. Andere Mitglieder unterstützen bei Live-Auftritten Mumford & Sons (Streicher) bis hin zu den zuvor genannten Broken Social Scene (Bläser). Als Teil von SONAA jedoch fügen sich all diese talentierten und geschichtsbewussten Einzelkönner einer übergeordneten künstlerischen Vision.

Will man „Knots“ mit dem selbstbetitelten Debüt der Band vergleichen, dann wird dessen lose Folkstruktur und der kammermusikalische Ansatz in das feste rhythmische Korsett eines Schlagzeugs gegossen und um die Klangflächen von E-Gitarre und oft elektronisch verfremdetem, traditionellem Instrumentarium ergänzt. Ausgangspunkt sind die komplexen Fingerpickings auf zwei klassischen Gitarren – nach Eigenaussage vornehmlich durch den Chicago-Postrock der 1990er Jahre, durch Doug McCombs, Dave Pajo oder Sam Prekop beeinflusst.

Im Opener „The Yard“ werden diesen schrittweise flatternde Holzbläser und flirrende Streicher hinzugefügt, bis eine wuchtige Rhythmusfraktion einsetzt. Was dann folgt, könnte man nur mithilfe einer endlosen Liste an Verweisen fixieren.Artrock, Filmmusik, British Folkund seine zeitgenössischen amerikanische Protagonisten wie Bill Callahan oder Will Oldham (dessen „Lesson’s From What’s Poor“ auf dem Debüt gar fragmentarisch gecovert wurde) tauchen auf und ab inmitten kinematischer Dramatik („Jellyfish Bloom“), eruptiven Tribalrhythmen („Big Bad Bold“) oder schierer epochaler Wucht („Matthew“). Das Album, dargeboten durch eine ganze Streitmacht großartiger Musiker, kommt so dem kaum vergleichbaren Live-Erlebnis eines SONAA-Konzertes nahe.

Mit dem abschließenden „Heroine“ entledigt es sich dann schrittweise aller Schichten und wenn Co-Sängerin Catherine Cardin unvermittelt hinter dem prägenden Bariton von Hauptsongwriter und Sänger Jacob Richardson hervortritt, wird dem Hörer erst bewusst, dass hier eigentlich nie nur eine Sache zu einem Zeitpunkt passiert ist, sondern stets gleichzeitig eine Vielheit von Dingen. Erstaunlich ist, wie leichtgängig all dies in „Knots“ zusammenfließt, das zweifelsohne ein schweres Album ist, sich jedoch nie in überflüssiger Spielerei vergisst oder allzu lang eine einzelne Idee festhalten mag.

Der Albumtitel beschreibt deshalb vielleicht am besten, was „Knots“ auszeichnet. Inspirationsquellen werden nicht nacheinander ausgestellt, sondern bis zur Unkenntlichkeit verknotet, geschichtet und verwirrt. Deshalb steht dieses Album auch für sich. Wie ein Felsen an der Küste, auf dem man einen Leuchtturm errichtet hat, der Schwarzlicht aussendet.

“A meaty, satisfying listen, suggesting renewed confidence and greater things to come from Richardson and his cohort.” (BBC)

„Das Etikett „Folk“ wird dieser außergewöhnlichen Band kaum gerecht, auch wenn neben den Akustikgitarren von Richardson und Tom Cowan vor allem „klassische“ Instrumente auftreten. Tatsächlich sind Folk-Motive nur eine Facette im zuweilen unvorhersehbaren musikalischen Vexierspiel der Sons Of Noel & Adrian.“ (FAZ)

 “Through an explosion of genres, Sons of Noel and Adrian prevail – controlled, talented and ramshackle; making Knots an intriguing and enchanting listen.” (The Line of Best Fit)